Mami, wer bin ich ?

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Die Rose in meiner Hand war das Letzte was mich noch begleitete an diesem Tag. Der Regen hatte nachgelassen und ich verabschiedete mich ein letztes Mal. „Irgend wann gehen wir Alle“, dachte ich „und hinterlassen Fragen“… doch die, die Mama hinterließ bestimmten mein Leben von Anbeginn. Die Rose auf das nicht mehr ganz so frische Grab legend drehte ich mich um. Ein paar Tränen, mehr gab es nicht zu sagen und doch, alles, einfach alles stand als Frage im Raum.

Jung war ich, jung und aufgeweckt. Damals schon wusste ich das etwas mit mir anders ist, ich dachte anders, ich redete anders und ich fühlte anders. Die Schule begann schon mit einer Frau als Lehrerin die ich unmöglich ernst nehmen konnte. In Babysprachenmanier wurde ich aufgefordert etwas Kund zu tun wie Sie es wollte doch das tat ich nicht, was mich in kurzer Zeit auf die Sonderschule verfrachtete. Auch beim Spielen verlief einiges anders. Drei Geschwister hatte ich, die sich auch mehr oder weniger gut verstanden. Nur ich verstand sie nicht, sie waren mir zu fremd, zu einfach gestrickt. Gern machte ich auch jeden Spaß mit, das änderte aber nichts daran das ich mich als Aussenseiter empfand. Die Anderen spielten Fußball, ich entdeckte was man aus Ästen bauen kann, die Anderen schlugen sich, ich rannte davon, die Anderen waren anders. Auch ich wurde älter und hoffte es würde sich bessern. Mama war oft auf meiner Seite, die Anderen bekamen Püree , ich Rinderrouladen, die Anderen Nudeln, ich Hähnchen, nur Vater durfte davon nichts wissen und ich fragte mich oft warum das so war. Oft versuchte ich zu sein wie die Anderen, dazu zu gehören , aber es gelang mir nicht. Mama gab mir etwas Geld mit zur Schule und ich kaufte Ihr dafür eine Blume und für den Rest etwas Gesundes für mich, sei es Obst oder auch Gemüse, Hauptsache war,  das man so essen konnte. Das Gefühl nicht dazu zu gehören blieb. Heute stehe ich hier und schaue auf die Gräber hinab. Immer noch bringe ich Ihr immer Blumen mit in der Hoffnung das Sie diese von dort wo Sie jetzt ist noch sieht und sich freut. Mama, ich liebe Dich, auch wenn ich nichts von dem verstehe was geschehen ist.

Nachdem Vater von uns ging schaute ich alte Familienfotos an und bekam weitere Zweifel. Alle Anderen hatten strohblondes Haar nur ich hatte dunkles, auf allen Fotos lachten die Anderen und ich blickte fragend ins Objektiv, wenn Alle auf dem Bild waren, sass oder stand ich immer etwas abseits. Mama, warum war das so, Mama, wer bin ich. Eine ältere Dame schaut zu mir herüber und ich gehe ein wenig weiter, Tränen fließen durch mein Gesicht, Tränen für einen kleinen Jungen dessen Welt aus den Fugen geraten ist und eine Mutter die nie mehr erklären kann. Doch der Regen nimmt Sie mit sich, Sogar das Wasser weis wo es zugehört…  Mama, warum wolltest Du nichts sagen, Mama , Vater, warum durfte ich Onkel Demito nie kennen lernen, Mama, alles was Du hättest sagen können hast Du mitgenommen auf deinem letzten Weg. Auf einer Bank am Friedhofszaun setze ich mich hin und denke über früher nach. Meine ganze Kindheit bestand aus Fragen, Unverständnis und Schweigen. Warum spielten alle meine Geschwister mit Lego, nur ich mit Fischertechnik, warum gingen alle Anderen zum Fußball, nur ich lernte am Elektro Baukasten, warum war ich mit nur Einser und Zweier auf einer Sonderschule , alle Anderen aber mit Vierern und Fünfern auf der Hauptschule. Warum durfte ich mit in den Urlaub wenn Mama dabei war aber nicht wenn Vater ohne Mama fuhr. Ohne das ich es gemerkt hatte setzte sich eine Frau neben mich auf die Bank. Sie sagte nur das Ihr seliger Mann nun auch schon 3 Jahre von Ihr gegangen sei und ich ruhig alles raus lassen solle. Ein wenig erschrak ich und nickte nur. Meine Gedanken wanderten durch die Zeit und je mehr Antworten ich suchte desto mehr Fragen wurden daraus. Ist Vater denn überhaupt MEIN Vater gewesen? Ich hatte beide gern , wie Freunde halt, das Gefühl von mütterlicher oder väterlicher Liebe blieb mir fremd. Heute noch kann ich an einer Hand abzählen wie oft ich in die Arme geschlossen wurde. Mir wurde kalt, der Regen hatte mich längst durchnässt und das Wasser stand bereits in meinen Schuhen. Im aufstehen drehte ich mich noch ein letztes mal um, dann ging ich. Kalt, denke ich, Kalt wie mein Leben als Kind, in dem ich um jedes bisschen Aufmerksamkeit kämpfen musste, um Liebe zu betteln ist nicht das was ich mir gewünscht habe doch die Welt hat es nicht anders mit mir gemeint. Kalt und hart war auch ich geworden und hatte den Abstand gesucht. Ein turbulentes Leben, nie hatte ich jemanden an mich heran gelassen und doch, irgendwann lernte ich eine Frau kennen, wir bekamen Kinder und alles schien so schön, bis es ein „Freund “ zerstörte. All mein Hass , alle meine Zweifel, alle meine Ängste überwältigten mich in so kurzer Zeit das alles zerbrach als sei es aus Glas. Mama, was habt Ihr aus mir gemacht? Auf meinem Weg nach Hause begegnete ich so vielen Menschen und dachte wie es wohl wäre wenn man einmal einen Tag mit denen tauschen könne. Zu Hause angekommen zog ich mich im Bad aus und duschte ausgiebig. Dann legte ich mich weinend in mein Bett und dachte….. Mama, wer bin ich ?… Und schlief ein .. .. .. . .

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